Forschungsprojekte
Geschlechtergeschichte

Prof. Dr. Elke Hartmann: Sempronia und ihre Schwestern. Handlungsräume von Frauen der Elite in der späten römischen Republik und der frühen Kaiserzeit

In der literarischen Überlieferung des 1. Jhs. v. Chr. wird eine Reihe von Frauen erwähnt – allesamt Angehörige der senatorischen Oberschicht – , die nach Ausweis der antiken Autoren ein Leben führten, das (für vormoderne Verhältnisse) äußerst selbstbestimmt und freizügig erscheint: Es ist von gebildeten Frauen die Rede, von ihrer provozierenden Teilnahme am gesellschaftlichen und politischen Leben, von außerehelichen Liebesaffären und beachtlichem Reichtum. Während sich bürgerliche Altertumswissenschaftler des 19. Jahrhunderts über diese Freizügigkeit moralisch entrüsteten und sie als Symptom des Sittenverfalls werteten, wurden diese Frauen in der jüngeren (angelsächsischen) Forschung als „New Roman Women“ bezeichnet, um damit ihre Emanzipation von traditionellen Rollenbildern zu verdeutlichen. Mit dem Schlagwort der Emanzipation wird allerdings ein Wertbegriff der Moderne auf die Antike übertragen, der die Eigenheiten der römischen Sozialordnung eher verschleiert als erhellt. Das Projekt fragt – auf der Basis aktueller kulturgeschichtlicher Forschung – nach den zeitspezifischen Eigenheiten des aristokratischen Wertesystems, nach der politischen Relevanz der öffentlichen Präsenz, nach der Familienorganisation und den Modalitäten der Vermögensübertragung, um Handlungsfelder und Lebensformen dieser Frauen im historischen Kontext zu erklären.