Mike Hofmann studierte Geschichte, Wirtschaftswissenschaften und Recht an der Technischen Universität Darmstadt. Seit über zehn Jahren arbeitet er in China und ist heute Managing Director von Melchers, einem weltweit agierenden Dienstleistungsunternehmen für Markterweiterung und Handel, in Beijing (Peking).
Die Fragen beantwortete Mike Hofmann im Rahmen der Lehrveranstaltung „Geschichte – und dann?“ im Wintersemester 2018/19.
Gab es ein prägendes Ereignis während Ihres Studiums oder Ihrer beruflichen Anfänge, das Sie nachhaltig in Ihrem Werdegang beeinflusst hat?
Geprägt und geholfen bei meiner Berufswahl haben mir Praktika. Zu Beginn meines Studiums wollte ich später im Bereich der Unternehmenskommunikation oder als Wirtschaftsjournalist arbeiten. Durch ein einjähriges Praktikum für die Vertriebsgesellschaft eines süddeutschen Automobilherstellers in Peking habe ich aber meine Leidenschaft für den Vertrieb entdeckt. Der Aufenthalt hat mich nachhaltig geprägt und für China begeistert.
Wie hat Sie das Geschichtsstudium auf Ihre derzeitige Tätigkeit vorbereitet?
Als besonders hilfreich in meinem Berufsleben erwiesen sich die vermittelten Fähigkeiten der Recherche- und Analysearbeit, Fakten- und datenbasierende Deutungen und Argumentationen sowie das Erstellen von Berichten und Präsentationen. Diese Eigenschaften wurden gerade im Geschichtsstudium vermittelt. Schließlich geht es im Geschichtsstudium nicht darum, Fakten oder Daten auswendig zu lernen. Dafür gibt es Lexika und Google. Vielmehr geht es darum, die großen Zusammenhänge zu beleuchten und zu analysieren und daraus Rückschlüsse für künftige Entwicklungen zu ziehen. Dies trifft auf politische und gesellschaftliche Entwicklungen genauso zu wie auf die Einschätzung von Marktentwicklungen. Auch die Projektarbeit in interkulturellen Teams sowie Präsentationen und freie Rede vor Seminarteilnehmern waren hilfreich für meine heutige Tätigkeit, in der rhetorische Fähigkeit ein Muss ist.
Wie sieht Ihr typischer Arbeitsalltag aus?
Typisch ist, dass nichts typisch ist. Die Konstante in China ist der Wandel. Ad-hoc auftretende Themen nehmen einen Großteil der Arbeitsabläufe ein. In Deutschland weiß man in manchen Berufen bereits am Sonntagabend, wie die kommende Arbeitswoche im Detail verlaufen wird. In China ist das schwer vorstellbar. Es hat etwas mit dem Arbeiten in einem Start-Up gemein. Mein derzeitiger Arbeitgeber Melchers, geprägt durch mehr als 150 Jahre Chinageschäft, überträgt die wirtschaftliche Verantwortung voll auf die einzelnen Geschäftsführer. Dies bedeutet zum einen viele Freiheiten und Möglichkeiten der persönlichen und wirtschaftlichen Entfaltung. Zugleich geht damit aber auch eine große Verantwortung gegenüber der Belegschaft und dem Erfolg des Unternehmens einher.
Welche Grundvoraussetzungen sollte man neben Sprachkenntnissen für Ihre Tätigkeit mitbringen? Was sind notwendige Qualitäten?
Im meinem Berufsfeld sind Unternehmergeist, Offenheit, Neugier für Neues sowie Bereitschaft zum stetigen Wandel wichtige Grundeinstellungen. Hinzu kommen Kenntnisse im Bereich der Analyse und Kommunikationsfähigkeit. Chinesische Sprachkenntnisse sind sehr hilfreich, aber nicht das entscheidende Kriterium. In meinem Beruf kann man auch erfolgreich sein, solange man hohe interkulturelle Kompetenz besitzt und offen und respektvoll gegenüber der Andersheit des Gastlandes ist.
Wie ist das Verhältnis zwischen Beruf und Freizeit in einer höheren Position wie Ihrer?
Grenzen zwischen Beruf und Freizeit verschwinden weltweit immer mehr durch den Einsatz moderner Kommunikationsmittel und Technologien. In China kommt kulturell hinzu, dass zwischen Beruf und Freizeit grundsätzlich kaum getrennt wird. So überwiegt häufig der berufliche Teil. Das zehrt regelmäßig an den Kräften. Das wird allerdings (noch) durch die tollen Erfahrungen aufgewogen, die ich in China weiterhin jeden Tag sammle.