Semesteröffnungsvortrag und Verleihung des Aretin-Preises 2018

24.10.2018

Dagmar Schäfer, Max-Planck-Institut für Wissenschaftsgeschichte, Berlin war zu Gast mit ihrem Vortrag „Innovation 0.1: Der Wert des Neuen vor der Erfindung der Moderne in China“.

Der Freiherr-von-Aretin Preis 2018 wurde im Rahmen des Semestereröffnungsvortrages am 23. Oktober 2018 vergeben:

Martin Mainka erhält 2018 den Aretin-Preis für seine Master-Thesis Minderheiten im kommunalpolitischen Diskurs. Das Beispiel der Roma in Darmstadt, 1979 – 1984.

Mainka untersucht in seiner Master-Thesis die heftige Auseinandersetzung über mehrere Roma Familien, die sich 1979 in Darmstadt niedergelassen hatten, und analysiert dabei den damaligen Diskurs zwischen den Vorstellungen der Darmstädterinnen und Darmstädter, wie mit dieser Minderheit umzugehen sei, und den Einfluss von Bürgerrechtsaktivisten, die aktiv gegen die Diskriminierung dieser Minderheit vorgingen. Besonders überzeugt Mainkas Befund, dass gerade die Verfolgung durch die Nationalsozialisten ein wichtiger Anknüpfungspunkt für die Debatte in den 1970er Jahren war, um der Forderung nach Minderheitsrechten für die Roma Nachdruck zu verleihen.

Die Masterarbeit von Martin Mainka besticht durch die hohe Qualität der Quellenanalyse, mit der es ihm gelingt, auch die subtileren Zusammenhänge zwischen Stereotypen und der Forderung nach Minderheitsrechten herauszuarbeiten. Es ist eine besonders zu würdigende Stärke von Mainkas Arbeit, basierend auf einer vorbildlichen Quellenarbeit die Nuancen und Ambivalenzen in dem Diskurs über die Roma zu betonen, die einfache Urteile unmöglich machen.

Florian Kehm erhält 2018 den Aretin-Preis für seine Bachelor-Thesis 'daz ist irgewin, den sie zerehtegewinnent': Ökonomischer Rationalismus als Teil städtischer Mentalität am Beispiel des Franziskaneers Berthold von Regensburg?

Florian Kehm untersucht in seiner BA-Thesis am Beispiel der Predigten des Franziskaners Berthold von Regensburg im 13. Jahrhundert, wie sich der sich seit dem Hochmittelalter ausbildende ‚ökonomische Rationalismus’ mit dem franziskanischen Armutsideal vertrug. Herr Kehm diskutiert dabei die Beziehung dieser Denkstrukturen zu den frühkapitalistischen Mentalitäten städtischer Kaufleute.

Beeindruckend ist erstens, inwiefern in dieser BA-Thesis sehr gründlich der internationale Forschungsstand aufgearbeitet wird: Das Literaturverzeichnis umfasst 45 Titel.Zum Zweiten besticht die Arbeit dadurch, dass in ihr ausgesprochen kreativ und gleichzeitig stark auf den Untersuchungsgegenstand bezogen eine eigenständige Methodik erarbeitet und angewendet wird. Herr Kehm greift die methodischen Diskussionen um die Mentalitätsgeschichte auf, entscheidet sich aber nicht zuletzt aufgrund des Vetorechts der Quellen für eine Modifizierung und Differenzierung des Ansatzes. Das führt ihn dazu, durchgehend von Mentalitäten im Plural zu sprechen. Als dritter zentraler Punkt ist die eigenständige und ausgesprochen souveräne Quellenarbeit zu loben, die auf dieser methodischen Basis stattfindet.

Die Gutachten loben die BA-Thesis als eine „kluge, gut austarierte, stringent gegliederte Studie“ und zeigen sich durchaus beeindruckt davon, dass Herr Kehm sich als ein Kenner der Forschung auszeichnet, der in einigen Aspekten aber sogar wohlbegründet „über sie hinausgeht“.

Insgesamt ist festzuhalten, dass Herr Kehm die im BA-Studium erworbenen Kompetenzen in beeindruckender Weise in dieser Thesis demonstriert hat. Das Niveau der Arbeit ist insbesondere für eine BA-Thesis bemerkenswert.

Hanno Kempken erhält 2018 den Aretin-Preis für seine Wissenschaftliche Hausarbeit Der Herrscher und die Naturkatastrophen.

Die Arbeit thematisiert ein – leider – immer aktuell scheinendes Thema, nämlich den Umgang mit Katastrophen mit einem natürlichen Kern. Sie analysiert Erdbeben, Vulkanausbrüche, Brände, Überschwemmungen und Versorgungskrisen im antiken Italien von Kaiser Augustus bis Kaiser Domitian. Hanno Kempken fragt nach den allgemeinen Merkmalen von Katastrophenschilderungen in der antiken Literatur und nach der Thematisierung des Herrschers innerhalb dieser Schilderungen. Er tut dies auf der Grundlage einer sicheren Kenntnis der neueren und neuesten Forschung und im Rückgriff auf eine Auswahl von vor allem senatorischen Schriftstellern wie Tacitus, Plinius dem Jüngeren, Sueton und Cassius Dio, aber auch unter Berücksichtigung epigraphischer und archäologischer Befunde. Er stellt drei Hypothesen auf: 1. Katastrophen werden im Untersuchungszeitraum von den Autoren selten um ihrer selbst willen und als Tatsachenbericht, sondern als Aussage über die fama – den Ruf – des Kaisers thematisiert. 2. Das Handeln der Kaiser zur Bewältigung der Katastrophen orientiere sich an den sozialen Gruppen Senat, stadtrömischer plebs und dem Heer als den Stützen der Herrschaft. 3. Die Wahrnehmung der Naturkatastrophen sei ambivalent, weil sie einerseits als unbeeinflussbarer Teil der göttlichen Ordnung gesehen werden, andererseits aber pragmatisches Bewältigungshandeln und die Vermeidung künftiger Katastrophen gefragt sei.

Hanno Kempken kann in sprachlich durchweg ansprechender Form und dank einer rundum überzeugenden, gründlichen Quellenarbeit alle drei Hypothesen in seiner stringent aufgebauten Studie bestätigen. Er leistet damit zugleich einen originellen Beitrag zur zentralen Frage, wie das „Akzeptanzsystem“ der römischen Kaiserzeit gerade in Katastrophen- und Krisenmomenten funktionierte.