Die Darmstädter „Leibgardisten“ und ihr Denkmal

Kriegseinsatz – Traditionspflege – Gedenken

Die Bezeichnung „Leibgardisten“ geht auf das „Leibgarde-Infanterie-Regiment (1. Großherzoglich Hessisches) Nr. 115“ zurück, das in dieser Form von 1872 bis 1919 bestand.

Ursprünge
Das Regiment berief sich auf eine lange Tradition: Landgraf Ludwig V. von Hessen-Darmstadt ließ im Jahre 1621, während des Dreißigjährigen Krieges, die sogenannte „Kompanie Dressler“ aufstellen. Dieses Datum gilt seither als das Gründungsjahr der „Leibgardisten“.
In den folgenden Jahrhunderten wurde die Formation mehrfach umbenannt und reorganisiert, kämpfte in verschiedenen frühneuzeitlichen Kriegen. 1812 nahm das „Leib-Garde-Regiment“ an der Seite der Grande Armée am Russlandfeldzug Napoleons teil. Im Preußisch-Österreichischen Krieg von 1866/67 kämpften die „Leibgardisten“ noch auf Seiten Österreichs gegen Preußen. Nach der Niederlage wurden die Truppen Hessen-Darmstadts dann der preußischen Armee eingegliedert. 1872 erhielt das Leibgardisten-Regiment die Nummer 115. Den Ehrentitel des „Regimentsinhabers“ behielt der Großherzog von Hessen-Darmstadt, zuletzt Ernst Ludwig.

Erster Weltkrieg
Während des Ersten Weltkrieges wurde das Infanterie-Regiment Nr. 115 an der Westfront, in Belgien und Frankreich eingesetzt. Es nahm an der Marneschlacht 1914 teil, kämpfte 1916 bei Verdun und an der Somme und war 1918 an der großen Frühjahrsoffensive beteiligt. Nach dem Waffenstillstand von Compiègne (11.11.1918) wurde das Regiment im April 1919 aufgelöst.

Weimarer Republik
Zur Zeit der Weimarer Republik durfte Deutschland nur eine deutlich verkleinerte Armee besitzen. Darmstadt gehörte zur entmilitarisierten Zone im Westen. Dennoch wurde auch in der Reichswehr die militärische Tradition der „Leibgardisten“ weitergepflegt. Auf Initiative von Veteranenverbänden, die der ehemalige Großherzog Ernst Ludwig unterstützte, wurde 1921 der Grundstein des Denkmals zu Ehren der im Weltkrieg gefallenen Leibgardisten gelegt und schließlich 1928 eingeweiht (vgl. Das Denkmal)
( Bild einfügen No 115)
Postkarte von 1930 (UA Darmstadt 900 Nr. 127/1)

Nationalsozialismus und Zweiter Weltkrieg
Das NS-Regime forcierte die Wiederaufrüstung Deutschlands. 1936 wurde im Zuge der Remilitarisierung des Rheinlands in Darmstadt ein neues Regiment aufgestellt, das unter bewusster Anknüpfung an die „Leibgardisten“ wiederum die Nummer 115 erhielt. Aus diesem Infanterie-Regiment gingen 1939 die Infanterie-Regimenter 226 und 485 hervor, an die ebenfalls am Denkmal erinnert wird. Das Infanterie-Regiment 115 kämpfte zunächst in Frankreich, ab 1941 in Nordafrika, ab 1943 in Italien. Die Infanterie-Regimenter 226 und 485 nahmen ab 1941 am Feldzug gegen die Sowjetunion teil. Sie kämpften u. a. bei Kiew und Stalingrad bzw. bei Moskau und Orscha. Sie waren innerhalb von Großverbänden der Wehrmacht eingesetzt, die zahlreiche Kriegsverbrechen begingen. Dazu zählten u. a. die Tötung von Kriegsgefangenen, die Ermordung von Zivilisten im Rahmen der sogenannten „Bandenbekämpfung“ sowie die Beteiligung am Holocaust (vgl. Die Kontroverse).

Nach 1945
Nach dem Zweiten Weltkrieg formierte sich erneut eine „Kameradschaft der Leibgardisten und des Infanterie-Regiments 115“. Auch die Bundeswehr setzte die Traditionspflege fort. Bei regelmäßig stattfindenden Kranzniederlegungen am Leibgardisten-Denkmal waren nicht nur Abordnungen der Bundeswehr, sondern auch Vertreter der US Army zugegen. Mit britischen Veteranenverbänden hielt die Kameradschaft der Leibgardisten freundschaftliche Kontakte. Eine kritische Auseinandersetzung mit der Rolle der Leibgardisten im Zweiten Weltkrieg unterblieb. Heute fehlt es der Kameradschaft an Nachwuchs; sie wird sich voraussichtlich Ende 2021 auflösen.