Aretin-Preis

Hervorragende Abschlussarbeiten von Studierenden des Instituts für Geschichte werden seit 2013 mit dem Karl-Otmar-Freiherr-von-Aretin-Preis ausgezeichnet. Karl-Otmar Freiherr von Aretin hatte von 1964 bis 1988 den Lehrstuhl für Zeitgeschichte inne und gilt als Gründervater des Instituts.

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Das Institut verleiht jährlich bis zu drei Preise für Arbeiten auf dem Niveau des Bachelors, des Masters und der Wissenschaftlichen Hausarbeit für die Zulassung zum 1. Staatsexamen.

Die Preisverleihung 2022

Nach zwei Corona bedingten, digitalen Preisverleihungen, fand in diesem Jahr die feierliche Zeremonie zur Preisverleihung des Aretin-Preises 2022 wieder präsentisch statt.

In diesem Jahr konnte der Preis lediglich an einen Preisträger vergeben werden.

Eröffnet wurde die Feier durch den Geschäftsführenden Direktor des Instituts für Geschichte, Prof. Dr. Gerrit Jasper Schenk.

Die Kommission wurde durch Dr. Kevin Liggieri, PD Dr. Karl Härter sowie em. Prof. Dr. Christof Dipper gebildet. Letzterer hielt die Laudation auf den Preisträger Jacob Georg Benz.

Hier im Bild: Preisträger Jacob Georg Benz / Foto: Martin Schmitt
Hier im Bild: Preisträger Jacob Georg Benz / Foto: Martin Schmitt

Der Preisträger 2022

Jacob Georg Benz in der Kategorie Bachelor-Thesis
Titel der Thesis: „Die Isenach. Zur Nutzung der Klein- und Nebenflüsse der Vorderpfalz“
Betreuer: Prof. Dr. Gerrit Jasper Schenk

Laudatio

Laudatio für die BA-Thesis „Die Isenach. Zur Nutzung der Klein- und Nebenflüsse der Vorderpfalz“ von Herrn Jacob Georg Benz

Flusssysteme harren in Mitteleuropa der Erschließung durch die Menschen in ökologischer, wirtschaftlicher, kultureller und nicht zuletzt politischer Hinsicht. Es ist diese Vielfalt, die den Reiz des Themas ausmacht und die offensichtlich auch Herrn Benz bei seiner Arbeit angeregt, ja erkennbar beflügelt hat, liefert er doch einen rundum sorgfältig erarbeiteten und alle Aspekte erschließenden Text.

Die Isenach ist ein kleines Flüsschen, das im nördlichen Pfälzer Wald bei Bad Dürkheim entspringt und nach ca. 30 Kilometern kurz vor Worms in den Rhein mündet. Es führt ganzjährig hinreichend Wasser, um von Menschen genutzt zu werden. Damit ist das Thema umrissen: Die Wechselwirkung naturräumlicher Gegebenheiten und menschlichen Handelns in dem, was Herr Benz das „lange Mittelalter“ nennt, d.h. in den gut tausend Jahren zwischen dem (dortigen) Ende der Antike und dem Beginn des Dreißigjährigen Krieges, doch reicht sein Blick fallweise sehr viel weiter zurück und bis ins späte 19. Jahrhundert – der eigentlichen Epochenschwelle des Umgangs mit der Natur. Der Ausblick erfasst dann sogar die Renaturierungsmaßnahmen seit dem späten 20. Jahrhundert.

Herr Benz beeindruckt seine Leser mit einer leichtfüßig daherkommenden großen Belesenheit – wer setzt heute seiner Arbeit noch ein Hölderlin-Zitat vor? – und gekonntem Einsatz von Quellen- und Literaturaussagen in nicht weniger als vier Sprachen. Das mehr als 14 Seiten umfassende Verzeichnis der benutzten Literatur übersteigt den bei BA-Theses üblichen Umfang erheblich. Und er macht aus seinem Material etwas, nämlich eine anschauliche, umsichtige und alle einschlägigen Themen berücksichtigende Schilderung der menschlichen Interventionen in dieses kleine Flusssystem der nördlichen Pfalz und seiner Nutzung. Sie machen nach der Überwindung der naturbedingten Pfadabhängigkeiten ab dem Spätmittelalter (im klassischen Sinne verstanden) aus der Isenach und ihren Zuflüssen eine „nachhaltig anthropogen überformte Flusslandschaft“ (S. 53), die entsprechend intensive Eingriffe der Orts- und Landesherrschaften voraussetzen.

Es sind vier Handlungsbereiche, die die Nutzung der Isenach ausmachen. Am frühesten wohl, weil kaum Eingriffe voraussetzend, das, was Herr Benz mit dem Quellenbegriff „Trift“ umschreibt, d.h. die Großviehhaltung auf den von dem Flüsschen bewässerten und darum besonders fruchtbaren Wiesen. Da sie stets zu versumpfen drohen und das Ackerland ohnedies zu gewissen Zeiten trocken bleiben soll, müssen Kanäle gegraben werden. − Die zweite Nutzungsform des Flusssystems ist die Schifffahrt, eine dem modernen Menschen sehr fremde Vorstellung. Aber Herr Benz recherchiert die Bedürfnisse, Wasserstände und Baumaßnahmen sehr sorgfältig und kommt zu dem Schluss, dass verschiedene Umstände ein Ende der Schifffahrt im Hochmittelalter wahrscheinlich machen – bis dann 400 Jahre später sich holländische Glaubensflüchtlinge in Frankenthal niederlassen und mit ihren Kenntnissen am Unterlauf der Isenach einen schiffbaren Kanal zum Rhein herstellen. – Die Schifffahrt wurde vom mit Abstand bedeutendsten flussgebundenen Wirtschaftsfaktor gestört und bekämpft, den Mühlen. Diese verlangten umfangreiche Eingriffe in die eigentlich für Mühlennutzung ungeeignete Isenach mit nachteiligen Folgen für deren Bett und entsprechenden Konflikten der Anlieger. Wie damit umgegangen wurde, schildert Herr Benz ausgesprochen anschaulich. – Die vierte Nutzungsform des Flüsschens galt der Salzgewinnung mit dem Zentrum Bad Dürkheim, wo seit dem 14. Jahrhundert (bis heute) Salzquellen zu unterschiedlichen Zwecken genutzt werden. − Dass zur Nutzung des Fischbestandes im Untersuchungszeitraum keine Quellen existieren, ist so rätselhaft wie bedauerlich.

Nach Ansicht der Betreuer wie der Gutachter für den v. Aretin-Preis hat Herr Benz mit seiner BA-Thesis seine ausgeprägten Fähigkeiten zum strukturierten Bearbeiten der Themenstellung mit einer sehr überzeugenden Literaturrecherche und sicheren Beherrschung der Fachsprache verbunden und somit eine herausragende Arbeit vorgelegt. Thema, Fragestellung und Ansatz der Untersuchung sind innovativ und erbringen eigenständige neue Erkenntnisse. Die BA-Thesis von Jacob Georg Benz verdient damit in jeder Hinsicht die Auszeichnung durch den Karl Otmar von Aretin-Preis.

Die Gutachter gratulieren Herrn Benz herzlich und wünschen ihm für das Masterstudium alles Gute.

Darmstadt, den 6. Oktober 2022

Prof. Dr. Christof Dipper, Prof. Dr. Karl Härter, Dr. Kevin Liggieri

(Der Aretin-Preis wurde am 19.01.2023 vergeben.)

Zum zweiten Mal in Folge bereits fand die feierliche Zeremonie zur Preisverleihung des Aretin-Preises 2021 im Rahmen einer digitalen Veranstaltung statt. Trotz Kontaktbeschränkungen konnten Eltern, Freund*innen und Institutsmitgliedern so an der Verleihung teilnehmen. In seiner Eröffnungsrede erinnerte der Kommissionsvorsitzende Professor Nicolai Hannig an den Namensgeber des Preises, Karl Otmar Freiherr von Aretin. Hannig betrachtete die Geschichtswissenschaft darin als nie versiegende Aufgabe, Geschichte neu zu schreiben, weil sich die Blickwinkel und Standpunkte im Laufe der Zeit wandeln. Ganz in diesem Sinne ehrte die Kommission die Preisträgerinnen und Preisträger für ihre herausragenden Arbeiten.

Hier im Bild: Preisträger Martin Koppmann
Hier im Bild: Preisträger Martin Koppmann

Die Preisträger 2021

„Die Mühle als Gegenstand der Kunst und Literatur des Hoch- und Spätmittelalters“

Dass der Mühle bereits seit dem frühen Mittelalter ein hohes mediales Potential zukam, wurde in der historischen Forschung bisher wenig beachtet. Vielmehr überwogen wirtschafts- und technikgeschichtliche Perspektiven. Die Master-Thesis von Florian Kehm, der die Mühle als Gegenstand der Kunst und Literatur untersucht, stößt empirisch und methodisch in diese Forschungslücke.

Die Arbeit zeichnet sich durch eine ausgezeichnete Kenntnis des Forschungsstands, eine fundierte Quellenanalyse und eine kritisch reflektierende, elaborierte Methodik aus. Florian Kehm nutzt ältere Ansätze der Kunst- und Literaturgeschichte kritisch und integriert sie zu einem integrierends medienhistorischen Konzept, um die allegorische Verwendung des Mühlenmotivs in unterschiedlichen Quellen bzw. Medien – bildliche Darstellungen, Lieder/Dichtungen und Flugschriften – vom 12. bis zum 16. Jahrhundert vergleichend zu untersuchen. Anhand gut gewählter einschlägiger Quellenbeispiele aus dem religiösen Kontext – darunter insbesondere die Hostienmühle – kommt er zu überzeugenden Ergebnissen: Die mediale Funktion des Mühlenmotivs als allegorische Darstellung der Ecclesia und Motor der Heilsvermittlung beruhte auf ihrer transformativ-technischen und sozial-alltägliche Funktion als eine die landwirtschaftliche Produktion zur täglichen Nahrung verarbeitende Maschine. Wie Herr Kehm differenzierend aufzeigt, variierten Botschaften und Wirkungen freilich während des Untersuchungszeitraums und sind insofern als Teil gesellschaftlicher Aushandlungsprozesse über die Rolle der Kirche und Bedeutung von Religion zu verstehen.

„Die Darstellung der Valeria Messalina in den antiken Quellen“

Annabell Germeshausen hat in ihrer Bachelorarbeit die Ursprünge der Rezeption der Valeria Messalina in den antiken Quellen analysiert. Sie betrachtet die drei Autoren Tacitus, Cassius Dio und Juvenal und verortet ihre Analyse in der Forschungsgeschichte. Dabei dekonstruierte sie Anschaulich die Übertreibungen und Verzerrungen der Überlieferung und kommt zu wichtigen Ergebnissen: Die Forschung nämlich untersuchte diese Darstellungen lange Zeit zu unkritisch. Frau Germeshausen gelingt es, dieses verzerrte und auffällig einheitliche Bild der Messalina als eine Konstruktion zu entlarven, die ganz bewusst einen Gegensatz zum tradierten Frauenbild der Römer zeichnete. Sie weist auf überzeugende Weise nach, wie über Generationen hinweg auch die Forschung diese Darstellungen übernahm und Messalina ratlos gegenüberstand. Es ist das Verdienst dieser in jeder Hinsicht preiswürdigen Arbeit, das Messalina-Bild zu dekonstruieren und als das herauszuarbeiten was es war: das Bild einer durch und durch literarischen Figur, deren tatsächliches Wesen, deren Motive und Verhaltensweisen wohl kaum zu rekonstruieren sind.

„Verdunkeltes„ Mittelalter? Märchenhafte Frauenrollen zwischen mittelalterlicher Realität und romantischem Ideal im Fachgebiet Geschichte des Mittelalters“

Martin Koppmann untersucht in seiner wissenschaftlichen Hausarbeit den Einfluss der von den Brüdern Grimm im 19. Jahrhundert gesammelten Märchen auf gegenwärtige Schüler*innen-Vorstellungen vom Frauenleben des Mittelalters. Darin zeigt er auf, dass hinter den romantisch-idealisierten neuzeitlichen Rollenmustern von Frauen – als aktive Herrscherinnen oder passive Hausfrauen typisiert – die „realen“ Frauenrollen des Mittelalters zurückstehen und nur noch fragmentarisch vorhanden sind. Dabei gelingt Koppmann eine relevante Integration des (geschichts-)didaktischen Conceptual-Change-Ansatzes.

Am detail- und kenntnisreich ausgeführten Forschungsstand wird deutlich, dass Herr Koppmann sicher mit den zugrundeliegenden Konzepten hantiert, sie sich zu eigen macht und kritisch-reflektiert anwendet. Die Arbeit zeichnet sich durch eine klare, wohlstrukturierte Darstellung aus und besticht mit einer hohen sprachlichen sowie formalen Qualität. Bemerkenswert ist der geschickte thematische Zugriff auf die beiden von Koppmann studierten Disziplinen: die Germanistik und die Geschichtswissenschaft.

Die Preisträger 2020

„Im Kampf gegen Triebe und die sexuellen Gefahren des Lebens: Eine Untersuchung zur Instrumentalisierung und Konzeption von Sexualerziehung im späten Kaiserreich und der Weimarer Republik“

Wie erfolgte Sexualerziehung von Jugendlichen zwischen ca. 1900 und 1920 in Deutschland? Dieser Frage geht Frau Honkomp in ihrer Master-Thesis nach. Darin überblickt sie ein weites Panorama, das zeitgenössische Debatten über Gesundheit, Sittlichkeit und Moral sowie Sexualpädagogik abbildet. Mit letzterer kann sie den Forschungsdiskurs bereichern, indem sie die Umsetzung von Debatten in der pädagogischen Praxis untersucht. Dabei gelingt ihr ein souveräner Umgang mit den Quellen und der Forschungsliteratur, der eigene Positionen reflektiert einbringt.

Angetrieben von der Sorge um Bevölkerungsqualität und -quantität stand besonders die Sexualerziehung der männlichen Großstadtjugend im Zentrum, die durch Vorträge zu verantwortungsbewussten Erwerbstätigen, Ehemännern und Vätern erzogen werden sollten. Links- und reformorientierte Ansätze fokussierten im Laufe der 1920er-Jahre aber auch auf Mädchen aus dem proletarischen Milieu, da sie als besonders gefährdet galten, in die Prostitution abzurutschen. Im Abschluss stellt Frau Honkomp ein Frauenbild der Extreme fest – die jungfräulich, schützenswerte Frau auf der einen, die ehrlose Verführerin des Mannes auf der anderen Seite. Daneben erhielt vor dem Hintergrund eugenischer Diskurse die Rolle der Mutter besonderes Gewicht. Die Jugend selbst stand also weniger im Fokus als die politischen, ökonomischen und nationalistischen Motive der Gesellschaft des Kaiserreichs und der Weimarer Republik.

„Vor uns die Sintflut – Zur Krisenbewältigung des Magdalenenhochwassers 1342 an ausgewählten Fallbeispielen“

Wie reagierten die Menschen auf die Magdalenenflut von 1342? Diese Frage beantwortet David Blischke in seiner ansprechend geschriebenen Arbeit mithilfe eines interdisziplinären Ansatzes aus den Natur- und Geisteswissenschaften. Dabei gleicht er Befunde der Archäologie, Klimatologie und Meteorologie mit historischen Quellen ab. So wirkte sich die Kombination aus besonderer Wetterlage (Vb-Zugbahn oder Trogwetterlage) und dem Anbau von Monokulturen als besonders nachteilig aus. Gelungen ist die Herausarbeitung der Alterität des Mittelalters. So sieht Blischke in christlichen Krisenritualen keine irrationalen Handlungen, sondern „ernst zu nehmende Präventionsmaßnahmen der spätmittelalterlichen Gesellschaft“ und verdeutlicht dadurch, dass Handlungsoptionen stets im Denken der Zeit zu reflektieren sind. Aber auch ganz pragmatische Lösungsstrategien wie die Flucht vor den Fluten oder einen hochwassergerechten Brückenbau identifiziert Blischke in seiner Studie. Obwohl es sich bei der Madgdalenenflut um ein „Jahrtausendereignis“ handelte, sei es dennoch nicht zu umfassenden „Änderungen von Handlungen oder einem Wandel im Zusammenleben mit dem Wasser“ gekommen, resümiert Blischke. Gemessen an der Dimension des Ereignisses ist dies ein überraschender Befund. Insgesamt gelingen Herrn Blischke Ergebnisse, die die aktuelle Forschungsdebatte befruchten.

Die Preisträger 2019

von links: M. Grabarits, A. Aksit, M. Lieb, T. Thieves, M. Ratzka, M. Heßler
von links: M. Grabarits, A. Aksit, M. Lieb, T. Thieves, M. Ratzka, M. Heßler

"Das Tagebuch der Anne Frank“ Ein Holocaust-Spielfilm als Produkt der Geschichtskultur.

Frau Ratzka behandelt in ihrer Arbeit die geschichtskulturelle Bedeutung des Holocaust-Spielfilms „Das Tagebuch der Anne Frank“ von 2016. Darin führt sie verschiedene Diskussionsstränge gekonnt zusammen: eine theoretische Auseinandersetzung mit dem Konzept der Geschichtskultur, die Rolle von Spielfilmen in der Geschichtskultur und im Speziellen die Rolle von Filmen, die den Holocaust thematisieren. Nach eingehender Analyse des Untersuchungsgegenstandes im Vergleich mit weiteren exemplarischen Holocaust-Spielfilmen kommt Ratzka zu dem Schluss, dass der Film von 2016 zwar durchaus einen Einfluss auf das öffentliche Anne-Frank-Bild hatte, jedoch nicht als Wendepunkt im geschichtskulturellen Umgang mit dem Holocaust gewertet werden kann.

Die Arbeit von Frau Ratzka zeichnet sich durch die klare Darstellung der zugrundeliegenden analytischen Konzepte sowie durch eine hohe sprachliche Qualität aus. Ihr gelingt eine differenzierte Analyse exemplarischer Holocaust-Spielfilme. Dabei beweist sie nicht nur einen profunden Umgang mit dem geschichtswissenschaftlichen Handwerkszeug, sondern zeigt auch eine hohe Eigeninitiative in der Aneignung und Anwendung filmwissenschaftlicher Methoden. Aus geschichtsdidaktischer Perspektive ist die Verknüpfung von Geschichtskultur und Film ein aktueller und relevanter Untersuchungsgegenstand.

Landmaschinenorganisation in der DDR-Agrarpolitik – Instrumentalisierung der MAS/MTS für die sozialistische Transformation der Landwirtschaft der SED.

Frau Thieves untersucht in ihrer BA-Thesis die Agrarpolitik in der SBZ und der DDR von 1945 bis 1961, dem Jahr des Mauerbaus und der Vollkollektivierung der Landwirtschaft, und rückt dabei die kollektive Organisation der landwirtschaftlichen Maschinen ins Zentrum ihrer Argumentation. Eines der Hauptergebnisse der Arbeit wird von Thieves überzeugend aufgezeigt: auch in der Transformation der Landwirtschaft galt das Primat der Politik. Für verschiedene Kollektivierungsphasen kann sie herausarbeiten, dass diese im Kern ideologisch geprägt waren und mit Sanktionen einhergingen. Wesentliche Leistung der Thesis ist die Herausarbeitung der politischen und kulturellen Bedeutung von Maschinen-Ausleih-Stationen (später: Maschinen-Traktor-Stationen) innerhalb dieses Prozesses.

Das Thema, das auf den ersten Blick sehr spröde wirken mag, wird durch die fundierte Analyse durch Frau Thieves regelrecht „zum Leben erweckt“. Besondere Anerkennung verdient die beachtliche Breite der Quellenbasis, die zudem aufgrund der ideologisch aufgeladenen Sprache ein hohes Maß an Analysekompetenz und Kritikfähigkeit erforderte. Dieser Herausforderung zeigte sich Frau Thieves in besonderer Weise gewachsen – die von ihr vorgenommene Strukturierung des Untersuchungszeitraums und -gegenstands sorgt für eine klare Orientierung und schafft ein tragfähiges Konzept für die gesamte Arbeit.

Symmetrie in der Erinnerungskultur? Der Erste Weltkrieg in Deutschland und in der Türkei.

Frau Aksit untersucht in ihrer Wissenschaftlichen Hausarbeit die Erinnerungskultur an den Ersten Weltkrieg in Deutschland und der Türkei mit Hilfe eines methodisch avancierten Kreuzvergleichs, in dem zum einen die „Jubiläumsforschung“ der Jahre 2014-18 und zum anderen neuere Schulgeschichtsbücher miteinander verglichen werden. Dabei gelingt ihr eine fundierte Herausarbeitung von Gemeinsamkeiten und Unterschieden, was bspw. zum Ergebnis führt, dass in der Türkei sowohl in der Forschung als auch in den Schulbüchern eine deutlich stärkere nationale Perspektive im Vergleich zu Deutschland vorherrscht. Darin wird der Erste Weltkrieg vor allem als Wegbereiter der türkischen Revolution und der Republikgründung durch Atatürk dargestellt.

Frau Aksit beschäftigt sich in ihrer wissenschaftlichen Hausarbeit mit einer hochgradig geschichtsdidaktisch und politisch relevanten sowie aktuellen Thematik, indem sie Erinnerungs- und Geschichtskultur sowie Schulbuchforschung innovativ vor dem Jubiläumskontext zum 1. Weltkrieg zusammenführt. Dabei zeichnet sich ihre Arbeit durch einen hohen Grad an Reflexion sowohl für ihre eigene Arbeitsweise als auch ihre spätere Berufstätigkeit als Lehrerin aus. Besonders hervorzuheben ist ihr vergleichender Umgang mit Quellen und Literatur aus zwei unterschiedlichen Forschungs- und Sprachkulturen.

Minderheiten im kommunalpolitischen Diskurs. Das Beispiel der Roma in Darmstadt, 1979 – 1984.

Mainka untersucht in seiner Master-Thesis die heftige Auseinandersetzung über mehrere Roma Familien, die sich 1979 in Darmstadt niedergelassen hatten, und analysiert dabei den damaligen Diskurs zwischen den Vorstellungen der Darmstädterinnen und Darmstädter, wie mit dieser Minderheit umzugehen sei, und den Einfluss von Bürgerrechtsaktivisten, die aktiv gegen die Diskriminierung dieser Minderheit vorgingen. Besonders überzeugt Mainkas Befund, dass gerade die Verfolgung durch die Nationalsozialisten ein wichtiger Anknüpfungspunkt für die Debatte in den 1970er Jahren war, um der Forderung nach Minderheitsrechten für die Roma Nachdruck zu verleihen.

Die Masterarbeit von Martin Mainka besticht durch die hohe Qualität der Quellenanalyse, mit der es ihm gelingt, auch die subtileren Zusammenhänge zwischen Stereotypen und der Forderung nach Minderheitsrechten herauszuarbeiten. Es ist eine besonders zu würdigende Stärke von Mainkas Arbeit, basierend auf einer vorbildlichen Quellenarbeit die Nuancen und Ambivalenzen in dem Diskurs über die Roma zu betonen, die einfache Urteile unmöglich machen.

'daz ist ir gewin, den sie ze rehte gewinnent': Ökonomischer Rationalismus als Teil städtischer Mentalität am Beispiel des Franziskaneers Berthold von Regensburg?

Florian Kehm untersucht in seiner BA-Thesis am Beispiel der Predigten des Franziskaners Berthold von Regensburg im 13. Jahrhundert, wie sich der sich seit dem Hochmittelalter ausbildende ‚ökonomische Rationalismus’ mit dem franziskanischen Armutsideal vertrug. Herr Kehm diskutiert dabei die Beziehung dieser Denkstrukturen zu den frühkapitalistischen Mentalitäten städtischer Kaufleute.

Beeindruckend ist erstens, inwiefern in dieser BA-Thesis sehr gründlich der internationale Forschungsstand aufgearbeitet wird: Das Literaturverzeichnis umfasst 45 Titel.Zum Zweiten besticht die Arbeit dadurch, dass in ihr ausgesprochen kreativ und gleichzeitig stark auf den Untersuchungsgegenstand bezogen eine eigenständige Methodik erarbeitet und angewendet wird. Herr Kehm greift die methodischen Diskussionen um die Mentalitätsgeschichte auf, entscheidet sich aber nicht zuletzt aufgrund des Vetorechts der Quellen für eine Modifizierung und Differenzierung des Ansatzes. Das führt ihn dazu, durchgehend von Mentalitäten im Plural zu sprechen. Als dritter zentraler Punkt ist die eigenständige und ausgesprochen souveräne Quellenarbeit zu loben, die auf dieser methodischen Basis stattfindet.

Die Gutachten loben die BA-Thesis als eine „kluge, gut austarierte, stringent gegliederte Studie“ und zeigen sich durchaus beeindruckt davon, dass Herr Kehm sich als ein Kenner der Forschung auszeichnet, der in einigen Aspekten aber sogar wohlbegründet „über sie hinausgeht“.

Insgesamt ist festzuhalten, dass Herr Kehm die im BA-Studium erworbenen Kompetenzen in beeindruckender Weise in dieser Thesis demonstriert hat. Das Niveau der Arbeit ist insbesondere für eine BA-Thesis bemerkenswert.

Der Herrscher und die Naturkatastrophen

Die Arbeit thematisiert ein – leider – immer aktuell scheinendes Thema, nämlich den Umgang mit Katastrophen mit einem natürlichen Kern. Sie analysiert Erdbeben, Vulkanausbrüche, Brände, Überschwemmungen und Versorgungskrisen im antiken Italien von Kaiser Augustus bis Kaiser Domitian. Hanno Kempken fragt nach den allgemeinen Merkmalen von Katastrophenschilderungen in der antiken Literatur und nach der Thematisierung des Herrschers innerhalb dieser Schilderungen. Er tut dies auf der Grundlage einer sicheren Kenntnis der neueren und neuesten Forschung und im Rückgriff auf eine Auswahl von vor allem senatorischen Schriftstellern wie Tacitus, Plinius dem Jüngeren, Sueton und Cassius Dio, aber auch unter Berücksichtigung epigraphischer und archäologischer Befunde. Er stellt drei Hypothesen auf: 1. Katastrophen werden im Untersuchungszeitraum von den Autoren selten um ihrer selbst willen und als Tatsachenbericht, sondern als Aussage über die fama – den Ruf – des Kaisers thematisiert. 2. Das Handeln der Kaiser zur Bewältigung der Katastrophen orientiere sich an den sozialen Gruppen Senat, stadtrömischer plebs und dem Heer als den Stützen der Herrschaft. 3. Die Wahrnehmung der Naturkatastrophen sei ambivalent, weil sie einerseits als unbeeinflussbarer Teil der göttlichen Ordnung gesehen werden, andererseits aber pragmatisches Bewältigungshandeln und die Vermeidung künftiger Katastrophen gefragt sei.

Hanno Kempken kann in sprachlich durchweg ansprechender Form und dank einer rundum überzeugenden, gründlichen Quellenarbeit alle drei Hypothesen in seiner stringent aufgebauten Studie bestätigen. Er leistet damit zugleich einen originellen Beitrag zur zentralen Frage, wie das „Akzeptanzsystem“ der römischen Kaiserzeit gerade in Katastrophen- und Krisenmomenten funktionierte.

US-amerikanische Hungerhilfe für Deutschland nach dem Ersten Weltkrieg als politisches Instrument am Beispiel der Stadt Aschaffenburg.

In ihrer transnational angelegten Arbeit kann Frau Göttmann zeigen, wie die US-amerikanische Lebensmittelhilfe für Deutschland nach Ende des Ersten Weltkriegs politisch instrumentalisiert wurde. Anhand der konkreten Lebensmittelhilfe in einer fränkischen Mittelstadt stellt sie sehr überzeugend dar, wie die Veränderungen in der Art und Weise der Philanthropie, die Innovationen in der Ernährungswissenschaft und die neue Rolle der USA in der Welt nach dem Ersten Weltkrieg zusammenhängen. So kann sie eine Antwort darauf geben, was die Entstehung der wissenschaftlichen Philanthropie, die Entdeckung der Kalorie, die Säuglingsfürsorge der Stadt Aschaffenburg um 1920 und der Export von Milchkühen aus dem amerikanischen Mittleren Westen miteinander zu tun haben. Dabei ruht die methodisch innovative Studie auf einem breiten Quellenfundament.

Tuberculosis and Race in the Nineteenth and Twentieth Century American Culture and Media.

In seiner sozial-, kultur- und diskurshistorisch orientierten Medizingeschichte über die Tuberkulose geht es Herrn Henning vor allem um deren Verbreitung in der afroamerikanischen Bevölkerung und um die Frage, inwieweit die Etablierung der Bakteriologie und später die Einführung der Antibiotika zu einer weniger rassenbasierten Deutung der Krankheit geführt hätten. Die Antwort – dass die Vorstellung einer speziellen „schwarzen Tuberkulose“ weit ins 20. Jahrhundert wirkungsmächtig blieb – trägt wissenschaftshistorischen Sprengstoff. Die Wahl einer Fragestellung, die nur anhand von US-amerikanischen Quellen und in Deutschland nur schwer zugänglicher Literatur zu beantworten ist, sowie die Entscheidung, die Abschlussarbeit in englischer Sprache zu verfassen, zeugen von großem Engagement und Mut. Hennings Arbeit zeichnet sich durch eine hervorragende und sehr umfassende Quellenarbeit sowie eine beeindruckende Methodendiskussion aus.

Literarische Geschichtskultur? Das Mittelalter bei Heinrich von Kleist am Beispiel ausgewählter Werke.

In seiner Arbeit setzt sich Herr Fröhner anhand Heinrich von Kleists 1811 erschienenen Werks „Der Zweikampf“ mit der Frage auseinander, inwiefern Literatur als Teil der Geschichtskultur gelten kann. Es gelingt ihm auf beeindruckende Weise, mit den komplexen Begriffen des kollektiven und kulturellen Gedächtnisses, der Geschichtskultur sowie der Rezeption umzugehen. Durch die gelungene Analyse des Kleist‘schen Werkes im Hinblick auf das dort inszenierte Mittelalter macht der Verfasser zwar deutlich, dass weder Kleists Erzählung noch Literatur an sich als um Objektivität bemühte Geschichtsschreibung bezeichnet werden dürfen, meint aber trotzdem, dass man von ‚literarischer Geschichtskultur’ sprechen könne, da Literatur durch den Akt der Rezeption Eingang in das generationsübergreifende Geschichtsbewusstsein nehme. Die sprachlich sehr geschliffene Arbeit überzeugt durch eine stringente Argumentation und eine brillante Auseinandersetzung mit der bisherigen Forschung. Originell ist auch das Herangehen an eine Thematik, die nicht nur zwischen Mittelalter und Neuzeit, sondern auch zwischen Geschichts- und Literaturwissenschaft angesiedelt ist.

„Frauen und die Altstoffsammlung. Fallstudie: Nationalsozialismus (1933-1945)“

betreut im Fachgebiet Technikgeschichte

Der Fokus der vorgelegten Thesis liegt auf den alltäglichen Funktionen, den wahrgenommenen Rollen und den diskursiven Zuschreibungen der Frau während der Zeit der nationalsozialistischen Herrschaft – vor allem im Bezug auf Mülltrennung, Altstoffsammlung und Recycling. Als Quellenbasis dienen Verordnungen und Broschüren, Zeitschriften und Zeitungsauszüge; Letztere sind dem Darmstädter Raum entnommen. Zwar hat Frau Salzgeber sich einem Untersuchungsgegenstand zugewandt, der in neuster Zeit nicht selten bearbeitet worden ist. Umso größer ist ihre Leistung, dennoch nicht-triviale Thesen zu entwickeln und zu belegen. So zeigt sie überzeugend, dass den Frauen „eine Aufwertung propagandistischer Natur“ zuteilwurde. Sie arbeitet gut heraus, dass Frauen „Druck auf emotioneller Ebene ausgesetzt“ waren und das Sammeln von Altstoffen „mit ideologisch-moralischen und ökonomischen Argumenten begründet“ wurde. Sehr erfreulich ist auch die Tatsache, dass Frau Salzgeber die Grenzen ihrer Quellen benennt und klarmacht, dass die Vorstellungen der Frauen selbst sich der Analyse entziehen. Die Struktur der eingereichten Abschlussarbeit ist logisch und klar, die Sprachbehandlung ausgezeichnet.

„Mathematik in der griechischen Antike im Spannungsfeld zwischen Theorie und Praxis“

betreut im Fachgebiet Alte Geschichte

Herr Heidrich hat sich zum Ziel gesetzt, mit wissenschaftshistorischem Erkenntnisinteresse das Verhältnis von „theoretischer“ und „praktischer Mathematik“ in der griechischen Antike von der ionischen Naturphilosophie bis zum hellenistischen Denker Archimedes von Syrakus zu verfolgen. Im Ergebnis zeichnet sich ab, dass in der ionischen Periode der spekulative, aber auf das Erkennen von abstrakten Prinzipien zielende, naturphilosophische Ansatz überwog. Allerdings in einer Verbindung eines konkreten, der Anschauung zugänglichen Problems mit dem Streben nach der Formulierung abstrakter Prinzipien. In der klassischen Periode stand das Streben nach der Formulierung abstrakter Prinzipien im Schatten des übermächtigen Einflusses der Platonischen Ideenlehre, ohne jedoch völlig von der Verankerung von Problemstellungen in der praktischen Lebenswelt abzusehen.

Herr Heidrich widmet sich einem Thema, für dessen Bearbeitung sowohl mathematischer Sachverstand als auch die Fähigkeit zu kulturgeschichtlicher Einordnung von Nöten sind. Beides bezeugt Herr Heidrich auf eindrucksvolle Weise. Die Darstellung ist sehr klar und sinnvoll gegliedert; sie ist schwungvoll, flüssig und geradezu fehlerfrei geschrieben und bindet auf überzeugende Weise Abbildungen ein.

In ihrer Abschluss-Arbeit für den M.A. of Education untersucht sie „Die geschlechtsspezifische Vermittlung von ‚Rassenkunde, -hygiene und Bevölkerungspolitik‘ im Biologieunterricht“ anhand von Assessorenarbeiten aus den 1930er Jahren. Im Zentrum steht, wie diese ‚neuen‘ Inhalte des Biologie-Unterrichts im NS für Jungen und Mädchen unterschiedlich aufbereitet und thematisiert wurden. Die Anlage und Fragestellung der Thesis kombiniert in bemerkenswerter Weise zeitgeschichtliche, didaktische und geschlechtergeschichtliche Fragestellungen. Sie vereinbart eine anspruchsvolle, komplexe Fragestellung mit souveräner Erarbeitung der Sekundärliteratur, innovativer Quellenheuristik, sehr guter Quellenkritik und schließlich einer fast fehlerfreien sprachlichen Präsentation, die versiert, abwechslungsreich, stellenweise geradezu elegant erscheint.

Der Aretin-Preis für die beste wissenschaftliche Hausarbeit in der Kategorie ‚Lehramt an Gymnasien‘ geht zu gleichen Teilen an Frau Theresa Dorsam und Frau Melanie Perlitz.

Theresa Dorsam geht in ihrer Arbeit „Hetärentum in Rom?“ der Frage nach, wie das Hetärentum im klassischen Griechenland und der späten Römischen Republik in den Quellen dargestellt wird und welche Beziehungen sich daraus zwischen Hetäre und Mann ergeben. Sie kommt zu dem Ergebnis, dass die Grenzen zwischen Hetären (wörtlich „Gefährtin“) und Prostituierten nicht immer klar zu trennen seien, den Hetären aber durchaus eine andere Stellung innerhalb der antiken Gesellschaft zugekommen sei. Politischer, wirtschaftlicher und damit auch gesellschaftlicher Aufstieg waren möglich. Besonders die sprachliche Gestaltung und der gekonnte Umgang mit den Quellen haben die Jury überzeugt.

Melanie Perlitz hat unter dem Titel „Die Darstellung des Ersten Weltkrieges in deutschen Schulgeschichtsbüchern“ den Einfluss variierender Interpretationen und Denkmodelle über den Ersten Weltkrieg auf deren Präsentation in den Lehrmaterialien des deutschen Geschichtsunterrichtes seit 1960 untersucht. Sie kann eindeutig nachweisen, dass es im fraglichen Zeitraum zu einem Wandel des Geschichtsbewusstseins gekommen ist: In den untersuchten Schulbüchern findet dieser seinen Niederschlag gleichermaßen in Gestalt eines Wechsels von der Politik- hin zur Sozial- und Kulturgeschichte wie auch in einer zunehmenden Vielfalt der verwendeten Medien. Die Jury zeigt sich besonders davon beeindruckt, dass die Examensarbeit auf hervorragende Art und Weise den fachwissen­schaftlichen mit dem fachdidaktischen Zugriff vereinigt und so für beide Seiten exzellente Ergebnisse bereitzustellen vermag.

Den Preis für die beste BA-Thesis erhält Kristof Lukitsch, für seine Arbeit mit dem Titel „KZ-Zwangsarbeit in der NS-Gesellschaft“. Darin fragt Lukitsch nach der Legitimierung der Arbeitseinsätze von KZ-Zwangsarbeitern durch die nationalsozialistische Arbeitsideologie und nach den Bewertungen der Zwangsarbeit in der Gesellschaft. Die Jury würdigt besonders, die kritische, sprachlich und inhaltlich gelungene Bilanzierung eines äußerst umfangreichen Forschungsstandes.

Der Preis für die beste Arbeit in der Rubrik „Wissenschaftliche Hausarbeit für die Zulassung zum 1. Statsexamen“ geht an Herrn Onno Waldschmitt. Seine Arbeit beschäftigt sich unter dem Titel „Widerstand, Anpassung und Konsens im Nationalsozialismus. Eine Analyse für den kompetenzorientierten Geschichtsunterricht“ mit der Arbeiterjugend im Dritten Reich und mit der Vermittlung des alltagsgeschichtlich gefassten Themas im Schulunterricht der Sekundarstufe I. Waldschmitt legt nicht nur einen gut durchdachten und konzipierten Entwurf für eine Unterrichtseinheit vor, sondern setzt sich gründlich mit der Forschung zur Jugend im Nationalsozialismus, zur Alltagsgeschichte generell und zum didaktischen Konzept der „Kompetenzorientierung“ auseinander. Die Jury betont, dass er besonders geeignete Quellen aufbereitet hat, um die Schüler und Schülerinnen zum Nachdenken über die Handlungsspielräume junger Menschen unter den Rahmenbedingungen des Nationalsozialsmus anzuleiten.

Frau Andrea Perthen verleiht das Institut den Aretin-Preis für die beste Master-Arbeit, die den Titel trägt: „Nachbauen oder Neu Bauen? Das Ringen um die Wiederbebauung der Frankfurter Altstadt nach deren Zerstörung 1944“. Darin analysiert Frau Perthen städtebauliche Wettbewerbe in Frankfurt im Rahmen des Wiederaufbaus vom Kriegsende bis in die Gegenwart – allerdings nicht nur im Hinblick auf die ihnen zugrundeliegenden architektonischen und stadtplanerischen Konzepte; Frau Perthen fragt gleichfalls nach den beteiligten Akteuren, nach der Dokumentation der Bauprojekte in der Presse und der Resonanz, welche die Bauten in der Öffentlichkeit erfuhren. Die Jury überzeugt besonders die gelungene Verzahnung architektur- und politikgeschichtlicher Forschungsperspektiven und die solide Quellenarbeit.

Den Preis für die beste Bachelor-Thesis erhält Annabell Engel für ihre Arbeit mit dem Titel: „Der Zorn des Herrschers – Performativer Akt oder mangelnde Affektkontrolle? Eine Untersuchung am Beispiel von König Sigismund auf dem Konstanzer Konzil“. Sie widmete sich in ihrer im Fachgebiet Mittelalterliche Geschichte entstandenen Bachelorarbeit den Zornesausbrüchen des Königs Sigismund auf dem Konzil von Konstanz im frühen 15. Jahrhundert. Das Thema ist im Bereich der Kulturgeschichte des Politischen anzusiedeln, und ist sowohl von der Emotionengeschichte als auch der Ritualforschung inspiriert. Die Jury betont den innovativen Zugang, die umsichtige und gründliche Quellenarbeit sowie das hohe Reflexionsniveau, auf dem sie die Forschung revidiert.

In der Rubrik Master-Thesis verleiht die Jury den Karl Otmar Freiherr von Aretin-Preis Frau Nadja Springer für ihre Arbeit mit dem Titel „In puncto stupri violenti. Sexuelle Gewalt und die Geschlechter im 18. und 19. Jahrhundert“. Sie erörterte in ihrer Arbeit, wie sexuelle Gewalt gegen Frauen im 18. und 19. Jahrhundert im deutschen Sprachraum juristisch normiert, strafrechtlich verfolgt und gerichtlich bewertet wurde. Dabei geht es um mehr als eine rechtsgeschichtliche Analyse, vielmehr erfolgt in der Arbeit eine umfassende Einordnung sexueller Gewaltdelikte in die Geschlechtergeschichte des 18. und 19. Jahrhunderts und reflektiert dabei die sich wandelnden Geschlechterrollen in der Zeit der Aufklärung und der sich anschließenden „bürgerlichen Gesellschaft“ gleichermaßen. Die Jury hat insbesondere die methodisch innovative Fragestellung, die Multiperspektivität und die Vielfalt der herangezogenen Quellen beeindruckt.

Unter den wissenschaftlichen Hausarbeiten zur Zulassung für die Erste Staatsprüfung prämiert die Jury die Arbeit von Herrn Christian Zumbrägel. Seine Arbeit trägt den Titel „Die Bedeutung der Donau für den ökologischen Fußabdruck Wiens in der vorindustriellen Zeit – am Beispiel der Holzversorgung zwischen 1750 und 1850.“ Diese Arbeit ist im Kontext der aktuellen Umweltgeschichte zu verorten, berührt aber gleichermaßen auch die Stadt- und Verkehrsgeschichte. Sie fragt nach der Bedeutung der Donau für die Befriedigung der Ressourcen-Bedürfnisse, insbesondere des Brennholzbedarfes der Stadt Wien wie nach der damit verbundenen Veränderung der Ökosysteme im Hinterland. Die Jury betont vor allem die klare Struktur der Arbeit, das hohe theoretische Reflexionsniveau, die überzeugende Argumentation und die empirische Fundierung.