Katastrophen wie Erdbeben, Hochwasser oder Stürme führen vor Augen, welche Gewalt in der Natur stecken kann. Ganze Gemeinschaften und Existenzen werden zerstört. Doch wenn der Staub sich gelegt hat, wie macht man dann weiter? Können die Trümmer wiederaufgebaut werden ¬– und wenn ja, wie? Lässt sich der Wiederaufbau vielleicht nutzen, um zerstörte Orte besser und widerstandsfähiger als zuvor zu machen? Diesen Fragen widmet sich das Forschungsprojekt „Build Back Better!“.
Ausgangspunkt sind zwei Beobachtungen: Erstens entwickelten sich humanitäre Hilfseinsätze seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs zu einem globalen Aushandlungsfeld für Expertisen im Katastrophenschutz und Wiederaufbau nach Naturkatastrophen. Parallel dazu entstanden neue regionale und nationale Initiativen, die Nothilfe und Wiederaufbau selbst zu gestalten versuchten. Unterschiedliche Akteure trafen also am Katastrophenort aufeinander, unterstützten sich, gerieten aber auch in Konflikte und Konkurrenz zueinander.
Außerdem waren Prozesse des Wiederaufbaus geprägt von Aushandlungen darüber, was wie wiederaufgebaut werden sollte. In diesen Aushandlungen stritt eine betroffene Gemeinde über ihre Identität und Geschichte, wie sie sich in Architektur, Denkmälern und Erinnerungsorten wiederfanden. Es stellte sich die Frage, welche Werte und materielle Kultur in eine Zukunft nach der Katastrophe mitgenommen werden sollten. Der Wiederaufbau war damit auch ein Aushandlungsfeld für Erinnerungspolitik.
Das Projekt verfolgt dabei zwei Wege:
Teilprojekt I untersucht die Geschichte humanitärer Hilfe am Beispiel von Notunterkünften, die durch internationale Hilfsorganisationen (bspw. UNHCR, DRK), durch staatliche Stellen (bspw. Bundeswehr, THW, USAID) sowie durch Unternehmen gebaut wurden. Im Blickpunkt des Teilprojektes stehen Nothilfen nach Erdbeben im Andenraum und in Europa. Ziel des Teilprojektes ist es, Dynamiken in Katastrophenregionen zu analysieren, die sich aus dem Zusammentreffen von internationalen Hilfsorganisationen, Wissenschaftler:innen, Behörden und der betroffenen Zivilbevölkerung ergaben. Im Vordergrund steht die Frage, welche Transfers und Konflikte daraus entsprangen und wie sie den nach- und vorsorgenden Wiederaufbau beeinflussten.
Teilprojekt II vergleicht den Wiederaufbau nach Erdbeben im Mittelmeerraum in der Mitte des 20. Jahrhunderts. Im Zentrum stehen der Denkmalschutz und dessen Rolle im Wiederaufbau und Katastrophenschutz. Das Projekt analysiert geschichtspolitische Aushandlungen, in denen über den Wiederaufbau von architektonischem Erbe und Erinnerungsorten entschieden wurde, und prüft, welche Rolle der Denkmalschutz in der humanitären Hilfe spielte. In vergleichender Perspektive spürt das Projekt der Entwicklung und Praxis des Denkmalschutzes und der Erinnerungspolitik in Katastrophengebieten nach.
Die Teilprojekte sind nicht nur thematisch durch Akteure wie die UNESCO miteinander verbunden, auch methodisch sind sie eng verzahnt. Beide untersuchen sowohl die archivalische und publizierte Überlieferung als auch die private und öffentliche Erinnerung an humanitäre Hilfe, Wiederaufbau und den Schutz von Kulturgütern. So sind die Befragung von Zeitzeug:innen sowie die kulturelle Aufbereitung etwa in Museen oder an Gedenkorten und -tagen integraler Bestandteil der Materialbasis des Gesamtprojekts.
Das Forschungsprojekt wird durch das Sonderprogramm „Sicherheit, Gesellschaft und Staat“ der Gerda-Henkel-Stiftung gefördert.